Lok 22: Gmeinder 10/12 PS aus Grüngräbchen

HFD-Nr. 22 vor der Museumshalle, dahinter HFD-Nr. 21, ebenfalls aus Grüngräbchen.
Foto: Manfred Kühl, 2012.
Technische Daten
Hersteller Gmeinder & Co. GmbH, Mosbach (Wikipedia)
Typ 10/12 PS
Baujahr 1941 (?)
Fabriknummer 3570 (?) Zuordnung nur anhand Motornummer 54566
Spurweite 600 mm
Motor Einzylinder-Viertakt-Wälzkammerdieselmotor, wassergekühlt
   Hersteller, Typ Güldner Motorenwerke Aschaffenburg, Typ F 1
   Leistung 12 PS bei 1500 U/min
   Bohrung, Hub, Hubraum 105 mm, 150 mm, 1,3 l
Getriebe Dreigang-Schieberadgetriebe, Einscheibenkupplung
Kraftübertragung Rollenkette
Vmax 4 – 8 – 12 km/h
Masse ca. 3 t
Einsatzgeschichte
  • 1941 geliefert an Bischoff KG, Niederlassung Dresden
  • 19xx Sandgrube Grüngräbchen
  • 1981 an HFD

Nachdem 1978 die erste Lok in Dresden-Klotzsche eingetroffen war, suchten wir nach einer betriebsfähigen Lok, anfangs vor allem für Rangierzwecke. Als erstes fanden sich 1981 unsere HFD-Nr. 21 von der Firma Deutz und diese Gmeinder-Lok in einem Schuppen der stillgelegten Sandgrube Grüngräbchen des Staatlichen Forstwirtschaftbetriebes Kamenz/Sa.

HFD-Nr. 22 vor dem Schuppen in Grüngräbchen, dahinter HFD-Nr. 21. Foto: Dieter Fröbel, Sammlung HFD 1981.
Verladung mittels provisorischer Rampe auf den Tieflader des VEB Stadtreinigung Dresden am 08.08.1981. Foto: Dieter Fröbel, Sammlung HFD.

Während die Deutz schnell wieder funktionsfähig war, mußte bei der Gmeinder erst ein Frostschaden am Motorgehäuse behoben werden. Dieser wurde 1986 durch Aufschrauben und Verkleben eines Bleches repariert. Nach mündlicher Überlieferung soll die selbstangefertigte Klebermischung u. a. auch Fußbodenfarbe enthalten haben. Da die Lok äußerlich kaum Beschädigungen aufwies, sollte sie weitestgehend in den Auslieferungszustand versetzt werden. Nach einer Reinigung erfolgte ein Erstanstrich in Dresden-Klotzsche, der später durch eine professionelle Lackierung bei den Dresdner Verkehrsbetrieben ergänzt wurde.

Die Lok in ihrer ersten Farbgebung und einem Messingnachbau des Firmenschriftzugs. Rechts hinten erkennt man gut den Aluminium-Nachguß des Fabrikschilds, noch ohne Farbgebung. Foto: Ralf Schreier, 1985.
Die Lok in ihrem heutigen Farbkleid. Der Herr rechts – hier bereits über 90 Jahre alt – hatte schon in seiner Jugend Loks dieses Herstellers nach Auslieferung in Betrieb genommen und 1986 als Rentner diese hier wieder zum Leben erweckt. Der Herr links begann zum letzteren Zeitpunkt sein Studium der Schienenfahrzeugtechnik. Foto: Ralf Schreier, etwa 1993.

Die originalen Fabrikschilder waren ebenso wie die von der Deutz-Lok verschwunden. Deshalb wurden nachgegossene Schilder angeschraubt, deren Vorlage 1983 in Niederwiesa von der Gmeinder 2104/1938 geborgenen wurden. Irgendwann hat sich keiner mehr daran erinnert und irgendwer hat dann eines Tages in unserer Fahrzeugliste anhand der falschen Schilder die falsche Nummer ergänzt. Glücklicherweise gibt es Fotos von der Schilderbergung in Niederwiesa. Bei einer Sichtung von Digitalisaten im Jahr 2021 – eigentlich zu einem ganz anderen Thema für den Werkbahnreport – fiel auf, daß dort das Fabrikschild “unserer” Lok zu sehen war.

Gmeinder 2104 abgestellt in Niederwiesa, Foto M. Lenk, 1983
Das Fabrikschild unmittelbar nach der Demontage. Foto: M. Lenk, 1983

Dann konnte diese Fabriknummer aber auf keinen Fall zu unserer Lok gehören. Eine vereinsinterne Rundfrage bestätigte dann diese Vermutung. Gleichzeitig konnten wir aber schnell anhand der Motornummer 54566 und der Lieferunterlagen von Gmeinder die vermutliche tatsächliche Fabriknummer zuordnen: Nr. 3570 von 1941. Vielen Dank dafür an Philipp Kurasch. Ihm war schon früher die Unstimmigkeit aufgefallen, da die 2104/1938 laut Lieferverzeichnis mit einem Kaelble-Motor ausgerüstet war. Aber auch die neue Zuordnung zur Fabriknummer muß mit Vorsicht behandelt werden. Nicht nur, daß ein Motortausch nicht allzu unwahrscheinlich ist, bei den Güldner-Motoren ist das Fabrikschild mit der Motornummer an der Zylinderhaube befestigt. Und um die auszutauschen bedarf es nicht einmal Werkzeug. 3570/1941 wurde von der Handelsgesellschaft Bischoff K.G. Feldbahnfabrik, Frankfurt/Main bestellt und am 24.10.1941 an ihre Niederlassung in Dresden ausgeliefert. Die Rahmenausführung paßt zu unserer Lok, aber auch zu 222 anderen, von denen zehn an die Niederlassung in Dresden gingen. Insgesamt wurden zwischen 1927 und 1956 859 Loks dieser Leistungsklasse gebaut, inklusive “Triebwagen” mit Ballastkasten und Tunnelloks mit Abgaswäsche. Etwa 60 davon waren im Jahr 2021 noch erhalten.

1989 wurde unsere Lok zusammen mit unserer O&K H1 auf der Fahrzeugschau “150 Jahre erste Deutsche Ferneisenbahn” 1989 in Radebeul Ost gezeigt. Bis 1993 fuhr die Lok immer wieder zu den Ausstellungen einige Runden. Danach machten sich einige Reparaturen notwendig. So mußten die Antriebskettenräder neu befestigt und ein neuer Luntenhalter angefertigt werden. Diese Arbeiten nahmen zwar nicht allzuviel Zeit in Anspruch (etwa zwei Monate), aber wegen der Vielzahl der anderen Aufgaben dauerte es doch knapp vier Jahre, bis die Lok sich wieder aus eigener Kraft bewegte. 2016, also nach 30 Jahren wurde dann die Reparatur des Frostschadens undicht. Aber nicht daß der Kleber nicht mehr gehalten hätte, das aufgeklebte Blech war durchgerostet. Die Reparatur wurde abermals in Klebetechnik ausgeführt, zum einen fehlten die ausgeplatzten Teile des Motorgehäuses, zum anderen hätte für eine Schweißung der Motor komplett zerlegt werden müssen.

HFD-Nr. 21 vor einem Lorenzug in Dresden-Klotzsche. Auf der Frontplatte ist bereits ein Aluminium-Nachguß des Firmenschriftzuges zu erkennen. Foto: Ralf Schreier, etwa 1997.
Nach der letzten Instandsetzung ebenfalls vor einem Lorenzug in der Herrenleite. Foto: Siegfried Otto, 2018.

Technik

Die Gmeinder besitzt den Einzylinder-Viertaktdieselmotor F 1 der Firma Güldner (Wikipedia), wie er auch im Ackerschlepper A 20 verbaut wurde. Gmeinder-Loks der selben Leistungsklasse wurden auch mit Kaelble-Motoren ausgerüstet. Der Güldner-Motor arbeitet nach dem Wälzkammerverfahren, einem Vorläufer des weit verbreiteten Wirbelkammerverfahrens (Wikipedia).

Links die zylindrische Wälzkammer (1) rechts die kugelförmige Wirbelkammer (2), sowie Schußkanal (3), Einspritzdüse (4) und Kolben (5).

Diese Wälzkammer hat die Form eines flachen Zylinders, nur wenig breiter als der tangential einmündende Schußkanal vom Hauptbrennraum. Nachteilig gegenüber der kugligen Wirbelkammer ist die größere Wandfläche, an denen sich die Gase abkühlen und so ihr Arbeitsvermögen wieder verlieren. Güldner stellte den Motor dann auch schnell auf das effizientere Wirbelkammerverfahren um, was eine Leistungssteigerung auf 14 PS brachte. Durch Vergrößern der Bohrung von 105 auf 115 mm konnte die Leistung weiter auf 20 PS gesteigert werden.

Zwischen Motor und Getriebe sitzt eine fußbediente Einscheibenkupplung. Während diese bei heutigen Fahrzeugen unbedingt trocken zu halten ist (verölt sinkt der Reibwert der Beläge und das Motormoment kann nicht mehr übertragen werden), verlangt der Hersteller hier eine wöchentliche Schmierung mit etwas Graphitöl, “um ein stoßfreies Anfahren zu ermöglichen”. Das Getriebe ist ein unsynchronisiertes Dreigang-Schieberadgetriebe (Wikipedia) mit Fahrtrichtungswender. Damit fährt sich die Lok ähnlich wie ein Lkw, allerdings braucht man etwas Geschick beim Schalten. Wenn Motordrehzahl und Fahrgeschwindigkeit für den gewählten Gang nicht recht zusammenpassen gibt es einen ratternden Gruß vom Getriebe, hervorgerufen durch das Aneinanderschlagen der Zähne bei Einschieben des Zahnrades in das Gegenrad. Der Fahrer muß versuchen, diese Drehzahldifferenz möglichst klein zu halten, beim Hochschalten durch Zwischenkuppeln zum Abbremsen der Eingangswelle, beim Herunterschalten zusätzlich durch Zwischengasgeben zum Beschleunigen der Eingangswelle. Aus diesem Grund waren die Gmeinder-Loks bei den Dresdner Trümmerbahnen als „Strafloks“ verschrien.

Vom Getriebe zu den Radsätzen erfolgt die Kraftübertragung über Rollenketten. Während diese beim Fahrrad eine Teilung (Abstand von Rolle zu Rolle) von einem halben Zoll (12,7 mm) haben und eine Bruchkraft von 10 kN (ca. 1 t) aushalten, ist die Teilung bei dieser Lok 1,5 Zoll (38,1 mm) mit einer Bruchkraft von 160 kN (ca. 16 t).

zurück zu Lok 96
weiter zu Lok 109

Autor: Rainer Dominik, letzte Änderung: 10.02.2022