LKM Ns1, 247437/1957

vormals HFD-Nr. 65, “Blaues Wunder”

Das Säge- und Imprägnierwerk Geithain war ein Betrieb des VEB Zentralwerkstatt Regis, Stammbetrieb des VE Kombinat Anlagenbau Braunkohle. Die Loks transportierten Holzstämme vom Lagerplatz ins Werk.

Nachdem wir 1986 unsere Lok 33 vom Imprägnierwerk Geithain geholt hatten, erhielten wir 1989 einen Anruf, daß noch eine zweite Lok entbehrlich wäre, allerdings waren Motor und Getriebe in einem desolaten Zustand und statt der Rückwand war nur eine einfache Sitzschale angebaut. Obwohl Transporte zur damaligen Zeit sehr schwer zu organisieren waren, entschlossen sich die damals Aktiven trotzdem, sie zu holen.

Die Lok in Geithain. Ob es für den Ersatz der Rückwand durch die Sitzschale einen technologischen Grund gab, ist nicht bekannt. Es düfte aber auf jeden Fall der Beinfreiheit zugute gekommen sein. Auffällig ist auch die Anordung des Zahnsegments für die Bremse oberhalb des Rahmens. Foto: Sven Kästner, November 1989.
Ansicht von vorn. Gut erkennbar die markante Frontpartie und der Leichtbaupuffer. Foto: Sven Kästner, November 1989.

Die Lok wurde vorerst im Freien abgestellt und nicht eingenummert. 1991 wurde LKM 247237 aus Zehdenick von einem Privatmann weitestgehend in den Originalzustand zurückversetzt und er bot an, uns das solide Eigenbau-Führerhaus aus Zehdenick und den Ersatzmotor, einen 4 VD 8/8-2 SVL vom VEB Motorenwerk Cunewalde, zu überlassen. Dieser schnellaufende Wirbelkammermotor hat bei 3000 U/min eine Leistung von 30 PS, bei den abgeregelten 1500 U/min sind es dann 15 PS. Dies ist zwar 1,5mal soviel, wie beim originalen 1 NVD 14, trotzdem muß man beim Anfahren deutlich mehr aufpassen, daß man den Motor nicht abwürgt. Ursache ist die vergleichsweise kleine Schwungmasse des Vierzylinders gegenüber der des Einzylinders 1 NVD 14 mit ihren 120 kg, die nur erheblich weniger Bewegungsenergie speichern kann.

Ein generalrepariertes Getriebe konnten wir aus dem Ersatzteilvorrat vom VEB Keramische- und Plattenwerke Dresden-Niedersedlitz beisteuern, welchen wir gerade übernommen hatten.

1992 folgten erste Einsätze zu Veranstaltungen in Dresden-Klotzsche. Ursprünglich als potentielles Tauschobjekt vorgesehen, erfreute sich die Lok jedoch zunehmender Beliebtheit wegen ihrer Anspruchslosigkeit und des Elektrostarters. Allerdings waren die Räder schon sehr verschlissen, so daß die Radsätze später noch getauscht wurden. Gleichzeitig erfolgte die Aufnahme in die Sammlungsliste. Und irgendwie bekommt in Dresden jedes blau gestrichene Metallteil den gleichen Spitznamen: “Blaues Wunder”, wie die gleichnamige Brücke in Loschwitz.

Zu dieser Zeit präsentierte ein Verein beim damals noch nicht so internationalen Feldbahntreffen seine Außeneinsätze, inspiriert durch das Vorbild der Landwirtschaftsbahnen. Man ging also mit Gleisjochen und Rollmaterial auf Reisen, nicht zum Zuckerrübeneinsammeln, sondern um die alte Technik und das eigene Hobby vorzustellen. Wir hatten gerade eine Reihe von Gleisjochen aus der Ziegelei Lockwitz übernehmen können und so kam die Idee, es ebenfalls zu versuchen. Während der Hintransport noch mit einem mittleren Baustellen-Lkw recht mühsam war, konnte der Abtransport mit einem Abrollcontainer erledigt werden. Die niedrige Ladehöhe des abgesetzten Containers erlaubt ein Be- und Entladen ohne zusätzliche Technik. Fahrzeuge können über kurze Rampen hineinfahren, Gleisjoche können hineingetragen werden.

Warum wir gerade diese Lok für unsere Außeneinsätz ausgewählt haben, hat folgenden Grund: Da der spezifische Geithainer Vorbau und das Zehdenicker Führerhaus erst bei uns zusammen auf einen Rahmen gesetzt wurden, verkörpert die Lok keinen authentischen historischen Zustand. Wegen dieses begrenzten musealen Werts war sie prädestiniert für Außeneinsätze. Transportschäden oder Vandalismus wären an ihr am ehesten verschmerzbar und leichter reparabel gewesen. Die ersten Einsätze begannen 1993. Generalprobe war der halbtägige Einsatz zu einem Schulfest der damaligen 8. Mittelschule (heute 8. Grundschule) Dresden auf der Moritzburger Straße.

Unsere erste transportable Anlage an der 8. Grundschule. Foto: Rainer Dominik, 15.05.1993.

Von dort ging es zum Stadtteilfest Bunte Republik Neustadt in der Böhmischen Straße, allerdings mit einer anderen Lok, und drei Wochen später zum Straßenbahnfest am Coswiger Straßenbahndepot. Es folgten Einsätze beim Dresdner Dampfloktreffen, dem Sportfest der Dresdner Verkehrsbetriebe in Dresden-Wachwitz, dem Dresdner Stadtfest am Neumarkt, auf der Hauptstraße und zuletzt am Basteischlößchen.

Nach einigen Jahren des Einsatzes erwies sich der Motor zunehmend als startunwillig. Das war der Anlaß, der Lok eine umfangreichere Instandsetzung zukommen zu lassen. Ursache der Startprobleme waren in erster Linie undichte Ventile, die in Eigenleistung wieder eingeschliffen wurden. Gleichzeitig wurden Öl und Filter gewechselt, sowie die Abspritzdrücke der Einspritzdüsen überprüft und eingestellt.

Aus den Einsatzerfahrungen heraus erfolgten über die Jahre mehrere Umbauten:

  • Durch das überwiegende Fahren mit niedrigen Motordrehzahlen konnte die Gleichstromlichtmaschine die Starterbatterie nur ungenügend laden, sie wurde durch eine Drehstromlichtmaschine vor dem Motor anstelle der Keilriemenspannrolle ersetzt. Da der Motor fest im Rahmen gelagert ist, konnte die Lichtmaschinenhalterung einfach am Rahmen befestigt werden.
  • Um Verschmutzungen des Untergrunds bei den Außeneinsätzen vorzubeugen, wurde unter dem Motor eine Auffangwanne an den Motortraversen mit Federn befestigt. Allerdings konnte diese Wanne aus Platzgründen nicht ausgebaut werden, so daß beim Ölwechsel das Öl zuerst in diese Wanne gelassen wurde und dann von dort abgesaugt werden mußte.
  • Um die leichten Gleisjoche aus Schienen S 7 und S 10 zu schonen, wurden die Balastpuffer durch vorhandene Puffer einer O&K MD 1 ersetzt, die Dienstmasse von danach etwa 2 t war für die ebenen Streckenverläufe völlig ausreichend. Die ursprüngliche Leichtbaupuffer waren ungeeignet, weil sich ihre Kupplungslaschen mit den Kuppelketten oder den Wagen hätten verhaken können.
Zum Dresdner Stadtfest auf der Hauptstraße mit den leichten MD-1-Puffern. Aus Sicherheitsgründen wurde die Lok immer rückwärts an den Zug gesetzt, damit sich der Lokführer bei geschobenem Zug nicht auch noch den Hals verdrehen mußte. Foto: Rainer Dominik, 22.08.2004.

Der bis heute abolute Höhepunkt für unsere Transportable Anlage war anläßlich des Tages der Sachsen 2004 die Strecke vom Empfangsgebäude des Döblener Bahnhofs über die Ladestraße bis Höhe Burgstraße mit einer Länge von etwa 600 m. Dafür wurden noch jede Menge zusätzlicher Gleisjoche zusammengeschweißt. Das Material füllte neben einem großen Tieflade-Sattelauflieger auch noch unser Gespann aus S 4000-1 und Anhänger. Auch der Gabelstapler mußte mit. Um das Platzangebot zu erhöhen und geschobene Zugfahrten zu vermeiden, waren zusätzlich der Sporizer und die Personenwagen von Familie Werner aus Löbau dabei.

2005 erfolgte eine Generalreapratur der Lok, bei der sie neben den üblichen Wartungsarbeiten einige weitere Umbauten erfuhr:

  • Die Paßfederverbindung zwischen Motor und Klauenkupplung war stark ausgeschlagen und hatte schon ca. 25° Winkelspiel. Ursache ist der hohe Ungleichförmigkeitsgrad der Drehbewegung des Motors wegen der recht kleinen Schwungscheibe. Zur Reparatur wurde der Kupplungsflansch direkt mit der Anschlußplatte mit acht hochfesten Schrauben verschraubt.
  • Einbau eines anderen Tanks mit einem günstig gelegenem Einfüllstutzen unter der ursprünglichen Gehäuseöffnung. Für die Betankung war bisher ein Winkeltrichter nötig und man hatte keine Einsicht in den Tankstutzen, was nicht nur einmal zum Überlaufen führte.
  • Umbau der Abgasanlage. Die Abgase werden jetzt nach oben geführt, um die Belästigung für Besucher und Personal zu reduzieren. Der neue Schalldämpfer ist nicht mehr neben dem Fahrzeugrahmen positioniert, was beim Transport das Beschädigungrisiko minimiert und eine bessere Raumausnutzung erlaubt.
  • Führerhaus und Vorbau wurden mit Schallabsorptionsmasse bestrichen zwecks Minderung des Lärmpegels, was sich aber als wenig wirksam herausstellte.
  • Zum Vereinfachen der Verladung wurde eine Kranöse am Vorbau mit geeigneten Verstrebungen zum Rahmen befestigt.
Die Lok nach der Generalreparatur von 2005. Gut erkennbar das senkrechte Abgasrohr und die Kranöse vor dem Führerhausfenster. Vor der Lok läuft Wagen 107, ein HFD-Eigenbau aus einem Helmsdorfer Muldenkipper. Foto: Holger Neumann, 2006.

Aus verschiedenen Gründen wurden die Außeneinsätze weniger. Zum einen fiel über mehrere Jahre das Dampfloktreffen in Dresden-Altstadt wegen Baumaßnahmen aus, zum anderen hatte der neue Betreiber des Stadtfestes um den Goldenen Reiter kein Interesse mehr an uns und auf unserer Stammtrasse auf der Dresdner Hauptstraße wurden Fahrradständer eingelassen. Die Lok wurde also wieder überwiegend auf dem eigenen Gelände eingesetzt. Wegen der starken Steigungen machte sich hier aber das Fehlen der Ballastpuffer sehr störend bemerkbar, so daß diese wieder angebaut wurden. Die Kranöse wurde wieder entfernt, weil sie nur für 2 Tonnen ausgelegt war.

2009 war ein Motorsportfreak dermaßen angetan vom Sond des Vierzylinder-V-Motors, daß er kurzerhand das senkrechte Abgasrohr unmittelbar am Gehäuse absägte, um den Sound besser genießen zu können. Nun umwedelt wieder der deftige Abgasduft des Wirbelkammermotors die Lokführernase. Da wir aber entweder kein geeignetes Gasrohr oder auch nur keine passende Schneidkluppe haben, ist es bei dem kurzen Rohrstummel geblieben.

Die Lok, wieder mit originalen Balastpuffern und dem abgesägten Abgasrohr im Bauzugeinsatz. Die Kranöse wurde später durch eine passende Sechskantschraube ersetzt. Foto Michael Otto, 2009.

2018 war die Parkeisenbahn Plauen auf der Suche nach einer betriebsfähigen Lok. Zum Tausch bot sie eine El 30-1 an, die vollständig, aber nicht fahrtüchtig war. Da dieser Loktyp nicht mehr häufig anzutreffen ist, wurden wir uns schnell einig. So wurde HFD-Nr. 65 für Lok 120 dann doch zum Tauschobjekt wie am Anfang angedacht. Mittlerweile mußte sie wieder einige, wenn auch kleinere Umbauten über sich ergehen lassen: Das Abgasrohr wurde wieder verlängert, an den Puffern wurden Augenschrauben zum Einhängen von Sicherheitsketten eingeschraubt (nach BOP sind diese Ketten Vorschrift) und anläßlich eines Ölwechsels wurde die Auffangwanne wieder herausgeschnitten, weil es ohne sie sehr viel leichter geht.

LKM 247437 an ihrem neuen Einsatzort, ausnahmsweise im Zugdienst. Im Normalfall werden die Personenzüge mit Elloks bespannt. Gut zu erkennen das verlängerte Abgasrohr mit Klappe und die Sicherungsketten zwischen hinterem Puffer und Wagen. Foto: Jan Köttnitz, Juni 2024.

Autor: Rainer Dominik, letzte Änderung: 02.09.2025